Das Egerer Stöckl

(Aus: „Eger, Geschichte einer Reichsstadt“ von Dr. Heribert Sturm.)

Als ein besonderes Wahrzeichen der Stadt gilt die auf dem unteren Marktplatz freistehende HĂ€usergruppe, die das „Stöckl“ genannt wird. Es sind dies heute zwei durch ein Ă€chmales GĂ€ĂŸchen, das KrĂ€mergĂ€ĂŸchen, voneinander getrennte Blöcke von eng ineinander verschachtelten HĂ€usern ohne Höfe und mit winzigen GrundstĂŒcksausmaßen.

Aus Ă€lteren Ansichten ist bekannt, daß frĂŒher noch eine dritte HĂ€userzeile, und zwar westlich des heutigen Stöckls und von diesem abermals durch eine schmale Gasse getrennt, zu dieser eigenartigen HĂ€usergruppe gehört hat.

Töpferladen im Egerer Stöckl Stich des Stoeckls mit 3 HÀuserreihen

Auf deren Entstehung weist schon der Name hin, der in den stĂ€dtischen LosungsbĂŒchern (ab 1390) durchgehend „unter den Kremen“ lautet. Der Ursprung des Stöckls ist damit so zu erklĂ€ren: An der breitesten Stelle des Marktplatzes wurden kurz nach Anlage der Neustadt, also noch im 13. Jahrhundert VerkaufsstĂ€nde auf gestellt, auf denen die Waren feilgeboten wurden. Daß diese alsbald zu einer dauernden Einrichtung wurden und Vermöge des damit zu erzielenden Gewinnes auch einen bleibenden Wert darstellten, ist ohne weiteres verstĂ€ndlich. ZunĂ€chst dĂŒrfte es sich bei solchen VerkaufsstĂ€nden um einfache Holzbuden gehandelt haben, die sich alsbald in feste Bauten aus Holz, spĂ€ter in Fachwerk und endlich zum Teil n Steinbauten umwandelten. Die Annahme der Entwicklung les Stöckls aus VerkaufsstĂ€nden wird dadurch unterstĂŒtzt, laß noch zur Mitte des 14. Jahrhunderts auf Grund einer Verordnung im Stadtgesetzbuch von der „kreme“, also dem itöckl, zwei Pfund GebĂŒhr und Zins genau so wie von den ĂŒbrigen StĂ€nden der BĂ€cker, Fleischer und Goldschmiede auf dem Markt eingehoben wurden. Durch spĂ€tere Um- und Zubauten erhielt im Laufe der Zeit das Stöckl jene Bauform, die uns heute vertraut ist.

Auf einer Federzeichnung aus der zweiten HĂ€lfte des 15. Jahrhunderts ist das Stöckl als dreigliedriger HĂ€userblock zu erkennen. Auch sieht man auf diesem Bilde, daß noch weitere VerkaufsstĂ€nde am unteren Marktplatz aufgestellt waren, allerdings als Bretterbunden. Diese Federzeichnung vermittelt einen eindrucksvollen Einblick in den baulichen Zustand des unteren Marktplatzes in der zweiten HĂ€lfte des 15. Jahrhunderts. Hinter dem Stöckl bildet den nördlichen Abschluß des Marktplatzes eine HĂ€userzeile, wie sie sich bis zur Gegenwart erhalten hat, nur daß das Eckhaus zur Kirchengasse inzwischen mit der Dachfront der nebenstehenden HĂ€user vereinigt und das anschließende heutige Stadthaus spĂ€ter durch ein weiteres Stockwerk aufgestockt wurde. Es werden sich dabei sogar ziemlich frĂŒhzeitig eigene BesitzverhĂ€ltnisse herausgebildet haben, auch in der Weise, daß der Verkaufsstand etwar vom Vater auf den Sohn ĂŒberging. Wenn in einer Urkunde vom 9. August 1287 der Egerer BĂŒrger Heinrich Spervogel die von seinen Vorfahren errichtete Stiftung eines ewigen Lichtes in Waldsassen durch Widmung einer Fleischbank mit Verkaufsrecht, welche jĂ€hrlich zwei Zentner Unschlitt zu zinsen hat, erneuerte, lĂ€ĂŸst sich aus dieser Beurkundung schließen, daß bereits in jener Zeit gewisse feste BesitzverhĂ€ltnisse an den VerkaufsstĂ€nden in der Tat ĂŒblich geworden waren.

Sehr wirkungsvoll schließen zwei Kirchen das Blickfeld ab: rechts die seit 1470 als spĂ€tgotische Hallenkirche neu umgebaute Stadtpfarrkirche St. Niklas mit ihrem Steildach und den spitzen TĂŒrmen und links die Dominikanerkirche, ebenfalls mit einem steil aufragenden Dach und einem schlanken Turm, der 1472 einem Brande zum Opfer fiel. Damit lĂ€ĂŸt sich die Federzeichnung auch ziemlich genau datieren; sie muß vor dem letzten Augusttag 1472 (dem Tage, da der Predigerturm abbrannte) und nach 1470, in welchem Jahre der Kirchenbau St. Niklas bis zum Abschluß der Gewölbe gediehen war, entstanden sein.“

Die auf der Titelseite abgebildeten TöpferlĂ€den bildeten den romantischesten Teil unseres schönen Marktplatzes. Bis in die letzte Zeit wurden insbesondere von der Landbevölkerung nicht nur die TöpferlĂ€den, sondern besonders auch Schuh- und KleiderlĂ€den im Stöckl sehr bevorzugt. „Dös kröigst in Stöckla“, hieß es allgemein auf dem Lande.

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