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EGERLÄNDER
KUNSTGALERIE MARKTREDWITZ
KUNSTWERK DES MONATS
JANUAR 2002

Heimliche Liebe - ein Stück Leben
Das
Gemälde Egerländer Paar, um
1943, Öl auf Press-Spanplatte, 72x 98,5 cm, von Franz Gruss gehört
zu
den Werken, die im Erzgebirge, in das sich der Künstler nach
Jahren in
Wien zurück gezogen hatte, entstanden ist. Dieses Werk setzt sich
nicht
wie viele seiner Werke mit der Landschaft oder der Natur
auseinander. Es
greift vielmehr, das auf, was ihn vielmehr noch als diese Themen
beschäftigte,
die Menschen und ihre Gefühle. Das Gemälde zeigt ein Paar in
bäuerlicher
Kleidung, die der Egerländer Tracht ähnlich ist. Der Mann,
offensichtlich ein Bauer, hält eine jugendliche Frau im Arm. Der
Mann
beugt sich stehend zu der Frau und versucht offensichtlich sein
Gesicht an
das Gesicht der Frau zu bringen, so als ob er Ihr einen Kuss
geben wollte. Seine Knie, ja seine ganze Gestalt ist gebeugt und
bringt
mit der Gestik zum Ausdruck, dass er die Nähe der Frau sucht.
Die Gestalt der Frau ist gerade, kerzengerade, aufgerichtet,
der Oberkörper eher nach rückwärts geneigt, das Gesicht
seitlich
nach hinten abgewandt. Der Arm ist zwar auf den Arm des Bauern,
der sie an
ihren Hüften umfangen hält, gelegt, eher etwas ablehnend als ihn
zu sich
hinziehend. Das Paar steht offensichtlich an einer in der rechten
Bildhälfte
angedeuteten Gebäudewand, vor der im Vordergrund ein Eimer,
wie
gerade abgestellt, steht. Im Hintergrund ist ein Holzzaun zu
sehen. In der
linken Bildhälfte ragen, wie in einem Bauerngarten Sonnenblumen
nach aus
der Erde. Sie sind voll reif und ihre grossen Fruchtteller hängen
schwer
an den oben stark gebogenen Stengeln. Das Bild wird von einem
fahlen Licht
beherrscht, das von einer am Himmel stehenden Mondsichel
herabstrahlt und
das Paar und die Sonnenblumen lange Schatten werfen läßt. Mit dem
Werk
soll Zuneigung eines Mannes zu einer Frau gezeigt werden, die sich
im
Heimlichen auf einem Bauernhof am Abend noch während der Arbeit
abspielt
und bei der die Frau nicht die Bauerin ist, sondern die Magd, die
nicht
weiß, ob sie sich auf die Zuneigung des Bauern einlassen soll,
oder die
nicht anders kann, als den Bauern gewähren zu lassen. Der
Untertitel, der
vom Künstler dem Titel Egerländer Paar hinzugefügt ist,
verdeutlicht
dies: Bauer und Magd.
Auf
der Rückseite der Spanplatte befindet sich ein weiteres Gemälde,
das
offensichtlich vor dem Egerländer
Paar entstanden ist. Es hat den Titel Rauchfangkehrer
über
den Graslitzer Dächern. Offenbar war dem Künstler
die heimliche Liebe,
wozu er in seiner
Einsamkeit und Zurückgezogenheit im Erzgebirge inspiriert worden
ist,
wichtiger als das Geschehen auf den Dächern von Graslitz. Franz
Gruss ist 1891 in Graslitz, am Rand des Erzgebirges geboren. Er
besucht
die Realschule in Eger und legt 1919 das Abitur ab. Bis 1914
studiert er
an der Akademie der Bildenden Kunst in Wien. Im ersten Weltkrieg
gerät er
1915 in russische Kriegsgefangenschaft, die er in Sibirien
verbringen
muss. Drei Jahre später, 1918, gelingt ihm die
Flucht. Bis 1923 lebt er dann wieder in Wien und besucht die
Meisterschule. Er beschließt als freischaffender
Künstler zu arbeiten. In Wien begegnet er vielen Künstlern und dem
vielfältigen Kunstbetrieb der frühen zwanziger Jahre. Ihn zieht es
jedoch in die Stille und Abgeschiedenheit des Erzgebirges. In
Silberbach
bei Nancy im Erzgebirge errichtet er eine Blockhütte, die ihm als
Wohnhaus und Atelier dient. Im Wettbewerb für die Gestaltung der
St.
Clara Kirche in Eger zu einer Gedenkhalle für die im Weltkrieg
gefallenen
22.000 Egerländer erhält er ( zusammen mit dem Architekten Scherer
aus
Zürich) den ersten und zweiten Preis. Mit diesem Werk gelingt ihm
der
künstlerische Durchbruch. Er beteiligt sich an Ausstellungen der
von
Gustav Klimt mitbegründeten Sezession in Wien; darüber hinaus an
Ausstellungen in Eger (1930), Karlsbad, Brüx, Prag, Teplitiz
Reichenberg,
Wien, Breslau und Weiden/Opf. Die Vertreibung aus der Heimat führt
ihn
und seine Frau nach Wien. 1947 gestaltet er dort das Haus der
Tischlerinnung mit einem Sgraffito. Es folgen dann Arbeiten
im öffentlichen und kirchlichen Bereich.
Reisen führen ihn nach Italien, Griechenland, Frankreich
und
Spanien. 1956 erhält er die Norgau-Plakette. 1971 erscheint eine
ausführliche Monographie von Raimund Atzinger im Kolb-Verlag
Dettingen.
1974 findet im Egerland-Kulturhaus Marktredwitz eine
Einzelausstellung zum
Lebenswerk des Künstlers statt. Franz Gruss stirbt 1979 in
Mistelbach a.d.
Zaya in Niederösterreich.
Das
Gemälde Egerländer Paar ist
eine Leihgabe der Tochter des Künstlers, Mag. Gundule Löffelmann
in
Wien.
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