Geschichte Egers: Hausaufsatz einer Oberschülerin 1944

Hausaufsatz 5 vom 22.5.1944 (geschrieben von Berta Mayer, geb. 1928 als Schularbeit im Geschichtsunterricht an der Oberschule für Mädchen in Eger)

Aus der Geschichte meiner Heimatstadt

Eger kann auf eine sehr bewegte Geschichte zurückblicken. Die Siedlung wurde von den Kelten angelegt, die ihr den Namen Agara gaben. Im 5 und Anfang des 6 Jahrhunderts drangen die Markomannen von Osten her gegen das Fichtelgebirge und den Böhmerwald vor. In der Mitte des 11 Jahrhunderts sehen wir das Egerland bereits als Grenzmark des deutschen Reiches gegen den slawischen Osten.

Der erste Graf dieses Gebietes war Berthold von Babenberg. Als sein Sohn Heinrich ohne männliche Nachkommen starb, erbte seine Tochter Beatrix das Land. Durch Ihre Heirat mit dem Grafen Konrad von Vohburg kamen Neumarkt, Cham und Eger zu dem Hause der Vohburger und verblieben auch dort von 1057 bis 1149. Adelheid, eine Tochter von Diebold dem 2. von Vohburg, dem letzten Markgrafen Egers heiratete 1149 Friedrich von Hohenstaufen, also Kaiser Barbarossa, und brachte das Egerland als Mitgift. Im Jahre 1265 wurde Eger von Przemysl Ottokar II besetzt und unter die Verwaltung des Jarosch von Waldenberg gestellt. 1292 wurde es von Adolf von Nassau an Böhmen verpfändet und verblieb dort bis zum Jahre 1305. Im Frieden zu Prag trat es König Wenzel III an Kaiser Albrecht I ab.

Die Stadt wurde dadurch zum zweiten mal reichsunmittelbar. 1314 wurde sie jedoch von König Ludwig an König Johann von Böhmen um 10.000 Mark verpfändet. Die endgültige Verpfändung Egers an König Johann von Böhmen erfolgte aber erst am 4.10.1322 um 20.000 Mark Silber. Er verlieh dem Egerlande eine Verfassungsurkunde woraus eindeutig hervorgeht, dass Eger zwar an die Krone Böhmens verpfändet war, dass es aber weiterhin alle Rechte, die es als freie Reichsstadt inne hatte, behalten sollte. Unter den Königen Karl IV, Wenzel, Sigismund und Albrecht ging es der Stadt sehr gut.

Es wurden ihr immer mehr vorrechte eingeräumt. Aber nach dem Tode König Albrechts kam Eger in harte Bedrängnis. Es begab sich deshalb 1438 unter den Schutz des Markgrafen von Nürnberg und 1439 unter den des Herzogs von Sachsen und rettete sich so vor böhmischer Vergewaltigung. Unter der Regierung des Königs Wladislaus gewann Eger immer größeres Ansehen. 1526 kam dann Böhmen und somit auch Eger unter die Herrschaft Österreichs.

Unter König Ferdinand II musste es schwere Kämpfe bestehen, da es sich den Haß der Jesuiten zugezogen hatte. Unter Kaiser Ferdinand II und Leopold I hat Eger hart um seine zahlreichen verbrieften Rechte zu kämpfen, doch die Churfürsten waren ihm mächtige Beschützer. Von 1567 an begann aber der Kampf Egers mit den Böhmen, die jetzt verlangten dass Eger abgesandte nach Prag zur Verhandlung mit den Ständen zu schicken habe.

Rund 155 Jahre dauerte der ständige Kampf um seine Rechte und seine Freiheit. Aber von da an ging es mit seiner Selbständigkeit rasch bergab, und die Stadt wurde aller Proteste ungeachtet ohne Schuld ihrer Freiheit beraubt und dem Königreich Böhmen einverleibt.

1744 nahmen zum ersten mal die abgeordneten Egers mit den Böhmischen Ständen an einer Huldigung für Maria Theresia teil. 1848 trat dann Eger ,mannhaft ein, um sich seine alten Rechte als reichsunmittelbare Stadt zurückzuerobern. Ein Bürgerausschuß verfasste eine Schrift an Kaiser Ferdinand in der genau begründet wurde, dass Egers Anschluß an Böhmen widerrecht geschehen sein, jedoch umsonst.

Nach dem unglücklichen Ausgang des 1. Weltkriegs wurde durch den Frieden von Saint Germain am 10.9.1919 Böhmen von Österreich losgetrennt, und Eger kam somit unter die Herrschaft des neugegründeten tschechoslovakischen Staates. Von diesem Zeitpunkt an begann für meine Heimatstadt eine neue Kampfzeit. Schon während der Festsetzung der Grenzen des tschechoslovakischen Staates brachte Eger seine alten, historischen Rechte als freie Reichsstadt durch ein Memorandum an die Machthaber von Versailles und Saint Germain in Erinnerung, jedoch vergebens.

Am 28.Okt.1918 wurde durch die Gründung des tschechoslovakischen Staates Eger endgültig der Republik einverleibt.

Am 9.Dez.1918 verständigte Oberstleutnant Slesacek aus Pilsen das Egerer Bürgermeisteramt telefonisch, dass er den Auftrag habe, die Stadt militärisch zu besetzen. Ein etwaiger Widerstand von Seiten der Bevölkerung sei aussichtslos. Der Egerer Bürgermeister Friedrich berief eine Sitzung des Stadtrates ein, und der Beschluß, dass Eger mit der Besetzung nicht einverstanden sei, wurde Slesacek übermittelt. Es läge kein Anlaß dazu vor, man würde aber eine weitere Besprechung in Marienbad vorschlagen. Diese fand am 10.Dez.1918 statt.

Die Vertreter der Stadt erklärten, dass weder ein Grund noch ein Reicht vorläge, Eger zu besetzen. Slesacek äußerte, er werde, wenn es vielleicht bewaffneten Widerstand leisten wolle, die Stadt mit Artillerie zusammenschießen lassen. Am 11. und 12.12. fanden wieder Sitzungen statt.

Der Befehl zur Besetzung der Stadt wurde aber nicht zurückgezogen. Am 13.Dez. richteten der Bezirksausschuß und der Stadtrat von Eger ein Telegramm an die Vertretung der Vereinigten Staaten von Nordamerika in Bern, worin sie sich unter anderen auch auf das von Wilson angekündigte Selbstbestimmungsrecht beriefen und um Schutz gegen die tschechoslovakische Besetzung ersuchten.

Gegen eine Besetzung von nordamerikanischer Seite hätten sie nichts einzuwenden. Am 14. Dezember fand eine Versammlung in Karlsbad statt, beider die Egerer nochmals der tschechischen Abordnung gegenüber gegen die Besetzung protestierten. Oberstleutnant Slesacek dagegen erklärte, die tschechoslovakische Armeee sein ein Teil der Ententetruppen, und deshalb sei auch die Besetzung Egers als eine Maßnahme zur Durchführung des Waffenstillstands anzusehen. So erklärte sich die Egerer Abordnung bereit, in Verhandlung über die Bedingungen der Besetzung zu treten. Es wurden folgende Punkte vereinbart:

Erstens: Die militärischen Verwaltung übergeht vollständig in die Hände der Truppen der Tschechsolovakischen Republik. Stationskommandant ist der jeweilige Kommandant der tschechoslovakischen Besatzungsstruppen.

Zweitens: Ausfolgung des gesamten in Eger, Franzensbad und Umgebung befindlichen Kriegsmaterials als: Gewehre, Maschinengewehre, Pistolen, Revolver, Geschütze, Granat und Mienenwerfer, Automobile, Pferde, Fuhrwerke, Ausrüstungsgegenstände und Munition aller Art, das Telegraphen- Telefon und technischen Materials.

Drittens: Übergabe sämtlicher militär – ärarischen Objekte und des gesamten Eigentums des ehemaligen Österrreichisch-Ungarischen Militärärars. Über die gegenwärtig übergebenen Gegenstände sind Inventare anzulegen.

Viertens: Sämtliche Offiziere und Mannschaften, welche zur Versehung des Garnisonsdienstes und Bewachung militärischen Objekte notwendig sind, verbleiben vorläufig auf Ihren Plätzen und dürfen vor erfolgter Ablösung diese nicht verlassen.

Fünftens: Die Nationalausschüsse und die Volkswehren folgen nach Maßgabe der Übergabe des Dienstes an die Truppen der Tschechoslovakischen Republik sukzessive Waffen und Munition aus.

Sechstens: Dem Kommandanten der Besetzungstruppen wird nach Tunlichkeit ein genaues Verzeichnis sämtlicher an auswärtige Bezirke zur Bewaffnung von Volkswehren ausgefolgten Waffen und Munition übergeben.

Siebentens: Der bisherige Stationskommandant von Eger und Franzensbad, mit seinem Stationsoffizier stehen den Kommandanten der Besatzungstruppen bis zur vollständigen Übergabe zur Verfügung.

Achtens: Das Ergänzungsbezirkskommando in Eger, das Landwehr- und Landsturmbezirkskommando verbleiben bis auf weiteres mit ihrem gesamten Kanzleipersonal in ihrem Amte.

Neuntens: Alle im Dienste verbleibenden Personen der bisherigen Garnison werden bis zur weiteren Entscheidung auf bisherige Art und durch die bisherigen Organisationen versorgt.

Zehntens: der Stadtrat von Eger verpflichtet sich, dafür zu sorgen, dass jede Agitation gegen die Truppen und Amtsorgane des tschechoslovakischen Staates unterbleibt und solchen Bestrebungen mit allen Mitteln entgegengetreten wird.

Elftens: Die Besetzungstruppen versorgen sich aus ihrem Standtort Pilsen. Solange Lebensmittelknappheit herrscht, wir eine Ausfuhr von Lebensmitteln aus dem pol. Bezirk Eger nicht stattfinden.

Zwölftens: Die bisherige politischen Betätigung wird keinen Anlaß zu einer Verfolgung geben. Die Sicherheit der Person und des Eigentums wird in jeder Richtung voll gewährleistet.

Dreizehntens: Nur auf der Kaserne wird die Fahne der tschechoslovakischen Republik gehisst.

Vierzehntens: Die autonomen Behörden, die Gendarmerie und die Staatspolizei üben ihre gesetzliche Tätigkeit weiter aus. Die Stadtpolizei ist wie im Frieden bewaffnet.

Fünfzehntens: Die Staatsgewalt wird in vollem Umfange von den berufenen Behörden ausgeübt. Alle Staatsangestellten sowie alle Bediensteten der Staatsbahnen treten ohne Ablegung eines Gelöbnisses in das alte Verhältnis zu ihren vorgesetzten Behörden ein und üben unter Beobachtung der geltenden Gesetze und Verordnungen ihren Dienst in der vor dem 28.Okt 1918 gepflogenen Art und Weise aus. Die Ablegung des Gelöbnisses für den deutschösterreichischen Staat bildet für den betreffenden Beamten keinen Grund zu einer dienstlichen Verfolgung. Gegenstände von historischem und künstlerischem Werte werden aus der Stadt und dem pol. Bezirk Egers nicht entfernt.

Am 16.Dez 1918, einem Montag, erfolgte dann die Besetzung Egers. Um 1 Uhr Mittags marschierten 500 Mann des 35. Infantrieregiments von Pilsen her mit fliegenden Fahnen ein. Sie bezogen die Brucktorkaserne, wo sie gleich nach ihrer Ankunft die tschechische Fahne hissten. Bürgermeister Friedrich rief die Egerer auf, in dieser schweren Zeit Ruhe und Besonnenheit zu bewahren.

Seit dieser Zeit brannte ein heimlicher Zorn in den Herzen der Bürger. Wo Egerer zusammenkamen beratschlagten sie, wie sie das Joch abschütteln könnten. Im darauffolgenden März kam die versteckte Wut der Deutschen zum Ausbruch, als betrunkene tschechische Legionäre versuchten, das Kaiser Josef Denkmal am oberen Marktplatz zu stürzen. Es gelang ihnen auch, doch war ihnen das fortschaffen der schweren bronzenen Figur unmöglich. Mittlerweile kamen einige Bürger die Steingasse herauf und sahen mit entsetzen, die Untat der Legionäre. Mit dem Rufe: „Bürger auf! Bürger auf!“ wurden die Egerer aus ihrem Schlaf aufgeschreckt, die Feuerwehr hastete mit ihrem Hornruf durch die Stadt, und zugleich begannen auch die Glocken der St. Niklaskirche mit mächtigem Dröhnen zu rufen: „Wacht auf! Wacht auf! Die Heimat ist in Not!“. In dieser Nacht war ganz Eger auf den Beinen.

Über die Tschechen war mittlerweile eine große Ernüchterung gekommen, und als sie sahen, dass die Bürger immer näher zu ihnen drängten, zogen sie es vor, den Schauplatz ihrer Untat zu verlassen. Hetzlieder singend, zogen sie durch die Bahnhofsstraße ab. Die Egerer aber bemühten sich, unter dem Trutzgesang: „Der Gott der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte“, das gestürzte Standbild des österreichischen Kaisers wieder aufzustellen, da jedoch bemerkten sie, dass der rechte Arm abgebrochen war. Ihr fieberhaftes suchen blieb erfolglos, die Tschechen hatten ihn mit sich genommen. Dieser Arm hatte die Urkunde enthalten, in der einst auch den tschechischen Bauern die Befreiung von der Leibeigenschaft verbrief worden war. Es kostete ein hartes Stück arbeit, bis endlich im fahlen Morgengrauen die Figur wieder auf ihrem Sockel stand. Da bahnte sich jemand einen Weg durch die Menge und band der Bronzegestallt eine schwarz-rot-goldene Schärpe um. Da war des Jubels kein Ende. Als die Rathausuhr die neunte Stunde schlug, war das Werk getan. Hehr und majestätisch, wenngleich auch nur mit einem Arm stand „Kaiser Seff“ auf seinem altgewohnten Platz, ein wackerer Schmiedemeister versprach, die Statue am Sockel festzuschmieden, dass kein Tscheche noch Teufel sie jemals wieder herunterbekommen konnte. Aber noch etwas anderes hatte man in dieser Nacht getan. Als man einige deutsche Mädchen tschechischer Soldaten auch beim Josefdenkmal stehen sah, wurden ihnen in der allgemeinen Empörung, kurzerhand die Zöpfe abgeschnitten. Etwa einen Monat lang durfte Kaiser Josef am Markte stehen, dann aber musste er, um weitere Zusammenstöße zu vermeiden, fortgeschafft werden. An einer versteckten Stelle im Franziskanergarten fand er Unterkunft.

Am 3. Mai 1919 um 6 Uhr zogen etwa 100 junge Leute, die „Wacht am Rhein“ singend, gegen die Obertorkaserne. Als sie jedoch zu dem freien Platz vor der Obertorschule kamen, fielen ohne irgendwelche Aufforderung an die Menge, auseinander zu gehen, scharfe Schüsse von einer Schwarmlinie tschechischen Militärs, die von der Schmeykalstraße kam. Bei den Schüssen stob die Menge auseinander, aber drei schwerverwundete blieben am Platze liegen, und zwar der Schüler des 3.Jahrgangs der Lehrerbildungsanstalt Josef Christl, die Tochter eines Bahnbeamten Gretl Reinl und der fünfzehnjährige Gymnasiast Herbert Patig. Außerdem wurden noch eine Reihe anderer junger Leute leichter verletzt. Die tschechischen kümmerten sich nicht weiter um die Schwerverwundeten. Josef Christl verschied kurze Zeit danach, Gretl Reinl hatte einen Lungenschuß unter dem Herzen erhalten und starb infolge innerer Verblutungen am nächsten Tage.

Herbert Patig, der einen Darmschuß und eine Beckenknochenzersplitterung davongetragen hatte, konnte nach langen Monaten aus dem Egerer Krankenhaus geheilt entlassen werden. Einzelne Kugeln verirrten sich bis an die Margarthenvilla und das evang. Pfarrhaus. Der Egerer Bürgermeister erhob beim Hofrat Dudek beschwerte und gleichzeitig Einspruch gegen die Besetzung mehrer öffentlicher Gebäude. Daraufhin wurden die tschechischen Truppen aus diesen Gebäuden zurückgezogen. Am 6. und 7. März trug man die ersten Blutzeugen unter großer Teilnahme der Bevölkerung zu grabe.

Von diesem Zeitpunkt an gestaltete sich die Lage der Deutschen immer trostloser. Die Arbeitslosigkeit nahm in erschreckendem Maße zu. Aus den Ämtern wurden die Deutschen von Tschechen verdrängt, unter dem Vorwand, die Staatssprache die jetzt die tschechische Sprache war, nicht genügend zu beherrschen. Die deutschen Fabriken erhielten keine Staatsaufträge, sodaß auch die Industrie sehr daniederlag. In einer Familie waren oft einige Angehörige lange Zeit arbeitslos. Für die tschechischen Kinder wurden neue Schulen gebaut, während für die deutsche Jugend nichts übrig war. Aus diesem Grunde wuchs die Erbitterung gegen die Zwangsherrschaft. Die Deutschen mussten sich, soweit es ging selbst helfen. Der Kulturverband der Deutschen wurde geschaffen, der die notleidende Bevölkerung nach Möglichkeit unterstützte. Aus dieser Situation heraus wurde am 1.10.1933 von Konrad Henlein die Sudetendeutsche Heimatfront gegründet, die spätere SdP. Der Sitz dieser Partei war das Hotel Viktoria in Eger.

Die Sudetendeutsche Partei wuchs immer mehr an und 1935 war sie mit 1 ¼ Mio Stimmen die stärkste Partei des tschechischen Staates überhaupt. Nach der Rückgliederung der Ostmark ins Reich richtete Konrad Henlein noch einmal einen großen Aufruf an das Sudetendeutschtum zum Endkampf um Freiheit und Recht. Die anderen politischen Parteien, lösten sich auf und gingen in die SdP über. Auch mussten die Tschechen den hier wohnenden Reichsdeutschen das Recht zugestehen, an Staatsfeiertagen die Hakenkreuzfahne zu hissen, daneben aber hatte die tschechische Flagge zu hängen.

Die erste Maifeier gab Zeugnis von der großen Macht des Sudetendeutschtums. Einige tausend Egerländer hatten sich auf der Brühlwiese versammelt. Die Frauen hatten alle die Egerländer Tracht angelegt, die jetzt sehr häufig getragen wurde, die Männer hatten das SdP-Abzeichen angesteckt. Über die Straßen waren Wimpel gespannt mit dem Zeichen der SdP. Der Zug ging über die Schanzstraße zum Marktplatz. Sprechchöre bildeten sich: „Ein Volk, ein Reich, ein Führer!“ oder „Wir fordern Volksabstimmung!“ und dazwischen brandeten die Rufe „Heil!“, „Heil!“, „Sieg Heil!“.

Zu jedem Fenster wurde hinaufgejubelt, von jedem Fenster wurde von der Schuljugend begeistert mitgesprochen. Der Aufmarsch endete mit einer gewaltigen Kundgebung am Marktplatz. Man spürte, es musste schon dem Ende zugehen. Die tschechische Polizei war übernervös. Am 21. Mai 1938 fuhren der Bauer Niklas Böhm und der SdP-Führer Georg Hoffmann mit einem Motorrad Ihrem Heimatorte zu. In der Franzensbader Straße lag tschechische Polizei, die die beiden Fahrer anrief, jedoch bei dem Lärm des Motors überhörten diese den Anruf und fuhren weiter. Da krachten Schüsse und beide blieben tödlich getroffen liegen. Die große Trauerkundgebung fand auf dem Marktplatze statt, wo die beiden Blutopfer aufgebahrt waren. Eine riesige Menge folgte im Trauerzug, dicht hinter dem Sarg schritt Konrad Henlein. Nach der Feier wurden die beiden Blutzeugen der Heimaterde übergeben.

Am 22.Mai 1938 fand der erste Wahlsonntag statt, bei dem in den sudetendeutschen Gebieten die SDP mit 90% der Stimmen siegte. Auch am 2. Wahlsonntag am 29. Mai stimmten 90 von 100 Sudetendeutschen für die SdP. Am 12. Juni zeigte sich nur die uneingeschränkte Macht der Sudentendeutschen Partei im Sudetenland. Am 20. Juli überreichte Konrad Henlein der Regierung in Prag ein Memorandum mit 14 Forderungen, unter anderem auch die auf Selbstverwaltung, Gleichberechtigung der Deutschen in der Republik und die Unantastbarkeit des deutschen Siedlungsgebiets. Die Antwort darauf war eine noch schärfere Bedrückung des Deutschtums. Die SdP-Versammlungen wurden immer häufiger gestört, immer mehr Deutsche wanderten in die Gefängnisse nach Pankraz. Die Zensur der deutschen Presse wurde stetig stärker, die weißen Stellen in den Zeitungen mehrten sich. Am 11. 9. 1938 war eine Sternfahrt nach Eger von den Tschechen veranstaltet worden, die aufreizend wirkte. In der vorangegangen Nacht wurden in der Umgebung des Theaterplatzes, dem Ziel der Sternfahrt, die tschechischen Anschriften an den öffentlichen Gebäuden, sowie an den Tabakgeschäften mit Teer überstrichen.

Am 12.9. forderte der Führer auf dem Nürnberger Parteitag für die Sudetendeutschen das Selbstbestimmungsrecht. Von diesem Zeitpunkt an wurde die Widerstandsbewegung immer stärker. Am 13.9. fand auf dem Marktplatz ein Zusammenstoß mit der Polizei statt, bei dem Niklas Gibtner erschossen wurde. Am 14. erließen die Tschechen ein Versammlungsverbot und verhängten über unsere Stadt das Standrecht. In den späten Nachmittagsstunden erschien vor dem SdP-Gebäude Polizei, da vermutet wurde, dass darin eine Versammlung stattfand. Die Deutschen verwehrten Ihnen den Eintritt in das Gebäude. Es kam wieder zu Schießereien, und es wurden sogar Handgranaten gegen die verschlossene Haustüre geschleudert. Dieser Zusammenstoß forderte leider wieder fünf Opfer und zwar Franz Dienel, das Ehepaar Franz und Anna Schneider, Johann Pfortner und Alois Veidl. Konrad Henlein verlangte zwar am 15. 9. ultimativ von der Prager Regierung die Zurücknahme des Standrechts, jedoch wurde er abgewiesen, worauf die Verhandlung mit Prag abgebrochen wurde.

Die Tanks durchfuhren die leeren Straßenzüge Egers, die Geschäfte wurden geschlossen, nur die Lebensmittelgeschäfte wurden einige Stunden des Tages offengehalten. Am 17. verlangte die Polizei sämtliche in Privatbesitz befindliche Waffen, auch Jagdgewehre. Diese Anordnung wurde aber nur zum geringsten Teil befolgt, die meisten Leute vergruben oder versteckten ihre Waffen. In der Nacht zum 18.9. wurden am Anger zwei Handgranaten weggeworfen. Die Detonationen verursachten neuerliche Unruhe unter der Bevölkerung, weil wieder eine Schießerei vermutet wurde. Die Tschechen ergriff eine Panik, da sie ihre Sache als verloren ansahen, und sie flüchteten am 22.9. in Massen nach Prag und Pilsen. Ministerpräsident Hodscha trat zurück, Syrovy wurde sein Nachfolger.

In Eger wurden schon Hakenkreuzfahnen gehisst, auch auf der Erzdekanalkirche prangte eine große Fahne. Die Mitglieder der SdP übernahmen selbst den Ordnungs- und Sicherheitsdienst. Die tschechische Polizei war an diesem Tag unsichtbar. Jedoch durch den Regierungswechsel ermutigt, glaubten die Tschechen, noch einmal ihre Sache retten zu können und ordneten die sofortige Einziehung der Fahnen an. Einige Fahnen, die nicht rechtzeitig entfernt worden waren, wurden von den Kugeln der tschechischen Polizisten durchlöchert. Am 24.9. mobilisierte der Tschechische Staat. Tausende von sudetendeutschen Militärpflichtigen flüchteten über die Grenze nach Deutschland. Den Reichsdeutschen wurde ein Sonderzug zur Abfahrt ins Reich zur Verfügung gestellt. Die Bahnen und alle öffentlichen Stellen waren jetzt von tschechischem Militär und bewaffneter „Roter Wehr“ besetzt. Autos und andere Verkehrsfahrzeuge wurden beschlagnahmt. Die Tschechen arbeiteten fieberhaft an Grenzbefestigungen. In der Reichsstraße fällten sie zum Beispiel Bäume und legten Sie quer über die Straße, um so einen Zugang vom Reich zu hindern.

Auch ordneten sie an, dass der Flugplatz aufgepflügt werden sollte, damit kein fremdes Flugzeug landen konnte. Die Bauern taten das auch, doch pflügten sie Hakenkreuze in den Boden. In der allgemeinen Unruhe übersahen es aber die Tschechen. Am 26. mussten wir die Rundfunkgeräte abliefern. Jedoch die in Berlin stattgefundene Führerrede wurde uns durch Flugzettel übermittelt. Am 29. September fanden dann in München die die Verhandlungen zwischen dem Führer, Mussolini, Daladier und Chamberlain statt. Alles erwartet fieberhaft ihren Ausgang. Es wurde die Vereinbarung getroffen, dass die sudetendeutschen Gebiete von den Tschechen binnen 10 Tagen geräumt werden müssten.

Am 1. Oktoer began auf Befehl des Führers der Einmarsch in das befreite Land. Die Grenze wurde um 14 Uhr im Böhmerwald zwischen Helfenberg und Finsterau von den Truppen unter Generaloberst Ritter von Leeb überschritten. Am 3. Okt. 1938 schlug auch für meine Heimat die Befreiungsstunde. Die Truppen unter Führung des Generals der Artillerie von Reichenau zogen unter unbeschreiblichem Jubel der Bevölkerung ein. Die Straßenzüge waren mit Blumen, Hakenkreuzfahnen, Girlanden, Führerbildern und Wimpeln reich geschmückt. Schon den ganzen Vormittag waren die Hauptstraßen und der Markt von einer dichten Menschenmenge gesäumt. Am Marktplatz bildeten die Männer des Sudetendeutschen Freikorps spallier. Um 11 Uhr 15 überschritt der Führer unter dem Geläute aller Glocken des Egerlandes die Grenze bei Wildenau. Zwischen Eger und Franzensbad hielt er bei einer Panzerwehrabteilung Mittagsrast. Endlich hörten die Harrenden am Marktplatz fernes Stimmengebraus. Ein Motorradfahrer raste mit der gelben Flagge durch die Steingasse zum Markt. „Der Führer kommt!“. Zuerst fuhr Adolf Hitler mit Konrad Henlein zum Stadthaus.

Da lag auch das Geschenk der Stadt Eger an ihn bereit, es war die Verpfändungsurkunde aus dem Jahr 1315, in der es heißt: Wisset, gewinnen wir die Gewalt, die wir zurecht haben sollen, dass wir immer danach trachten wollen wie wir euch zu rechten Staaten wiederbringen und euch erlösen.“ Dieses Pfand ist nach 623 Jahren eingelöst worden. Dann hielt der Führer von der aufgestellten Tribüne aus eine Ansprache an seine lieben Egerländer. Danach begab er sich noch zu der zerschossenen Parteistelle und fuhr dann langsam wieder über den Markt zurück, um Eger zu verlassen. Das Egerland war heimgekehrt ins Reich.

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