Entdeckungen zwischen Hundsbach und Schirnding
WALDSASSEN. - Am Buchbrunnen zwischen Arzberger Forst und Münchenreuther Wald liegt ein relativ unbekanntes „Drei-Länder-Eck“. Hier treffen sich Altbayern, Franken und Böhmen, oder genauer: das Stiftland, das Sechsämterland und das Egerland. 800 Meter nordöstlich davon befindet sich der nördlichste Punkt der Oberpfalz am Westhang des Oberkunreuther Berges, dessen 655,8 m hoher Gipfel jenseits der Landesgrenze liegt. Dieser abgelegene Winkel zwischen den Flüssen Wondreb und Eger lag schon vor der Zeit des „Eisernen Vorhangs“ am Ende der Welt, obwohl im 15. und 16. Jahrhundert hier Eisenerzbergbau und Hammerwerke Konjunktur hatten. Man kann ihn bequem auf einer zwölf Kilometer langen Fuß- oder Radwanderung oder auf einer 20-km-Autotour kennenlernen.
Wenn man auf der Bundesstraße 299 am „Siechenteich“ Deutschland verläßt und in den modernen tschechischen Grenzübergang „Heiligenkreuz“ hineinkommt, so fällt es schwer, sich vorzustellen, daß genau hier eine kleine, barocke Wallfahrtskirche ihren Platz hatte. Sie wurde 1750 anstelle einer Vorgängerkapelle in Fachwerkbauweise errichtet. Später entstand in der Umgebung die Ortschaft Wies, die wegen der Grenznahe 1949 zerstört wurde. Am 6. Februar 1951 warfen tschechische Arbeiter das Kruzifix aus dem Wieser Kirchlein in ein Lagerfeuer. Da es beim Löschen der Glut noch nicht verbrannt war, wurde es mit einer Drahtschlinge am Schlagbaum aufgehängt. Bayerische Grenzpolizisten retteten den „geschändeten Christus“, der noch heute in der Basilika Waldsassen einen Ehrenplatz hat. 1952 wurde das Wieser Gotteshaus gesprengt und sechs Jahre später hat man die Trümmer planiert.
Kurz nach dem Grenzübergang kreuzt ein grün markierter Wanderweg die Straße, auf dem Fußgänger nach links zum Grünberg gelangen. Radlfahrer sollten besser noch ein klein wenig später nach links auf den schnurgeraden, asphaltierten Grenzpostenweg, an dem bis 1990 der Stacheldrahtverhau entlangführte, abbiegen und ihn bei der Kreuzung mit dem grün markierten Wanderweg nach rechts verlassen. Dort wo der Wanderweg auf die schmale Ortsverbindungsstraße von Oberpilmersreuth nach Oberkunreuth trifft und man den Fernsehturm von Eger schon direkt vor Augen hat, führt die Markierung nach links in Richtung Oberkunreuth. Wendet man sich aber nach rechts, so erreicht man nach einem Kilometer auf unmarkierter Route Oberpilmersreuth. Dort steht nur noch eine steinerne Scheune am Straßenrand. Wenige Schritte weiter findet man wieder die grüne Wanderwegmarkierung, der man nicht geradeaus nach Eger hinab, sondern links hinauf zum St. Anna-Friedhof folgen sollte. Der Autofahrer gelangt hierher, wenn er auf der Straße vom Grenzübergang in Richtung Eger am Stadtrand unmittelbar vor der Eisenbahnbrücke links abbiegt und durch Unterpilmersreuth fährt. Auch wenn es so aussehen mag, als ob es eine Sackgasse wäre, so kommt man doch am Ende des Dorfes rechts hinauf an Ställen der landwirtschaftlichen Genossenschaft vorbei auf die kleine Straße mit der grünen Wandermarkierung, der man erst nach links und dann nach rechts folgt.
Auf der Höhe liegt unter einer Baumgruppe mit einem schlichten Holzkreuz und einigen Grabsteinen bzw. Grabsteinresten der 1992 wiederhergerichtete Friedhof von Pilmersreuth. Nebenan erinnert das Kriegerdenkmal an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges und neue Kupfertafeln dokumentieren die Daten der St. Anna-Wallfahrtskirche in deutscher und tschechischer Sprache. Von der barocken Anlage blieben nur einige Fundamente und Grundstücksmauern erhalten. 1518 entstand hier die erste Kapelle, aus der bis 1716 in mehreren Bauabschnitten ein immer größeres Gotteshaus wurde, zu dem erst eine Einsiedelei und später ein Hospitz der Franziskaner gehörte. Von 1787 bis 1945 war St. Anna eine von weltlichen Priestern geführte Pfarrei mit dazugehöriger Schule.
Hier in 594 m Höhe hat man einen herrlichen Blick über die alte Stauferstadt, den Egerstausee und Franzensbad bis hin zum zwölf Kilometer entfernten Kapellenberg in Sachsen mit seinem 1993 neuerbauten Aussichtsturm und nach Maria Kulm. Der Sage nach, sollen vor vielen Jahren im Egerland drei adelige Schwestern gelebt haben, die alle in Liebe entbrannt waren zu ein und demselben Ritter. Da keine der Schwestern den Geliebten nehmen wollte, beschlossen sie, der Welt zu entsagen und sich für immer zu trennen. In Sichtverbindung zueinander rund um das Egerland ließen sie drei Klöster erbauen, denen sie ihre Namen gaben (Anna auf dem Grünberg, Maria auf dem Kulmberg und Ursula auf dem Kapellenberg) und wo sie ihr Leben beschließen wollten. Der Ritter aber nahm an einem Kreuzzug teil und kehrte erst nach vielen Jahren zurück. Als er Ursula zufällig traf, vergaß diese ihr Gelübde und sank ihm vor Freude ans Herz. Die Kapelle stürzte ein und begrub die beiden unter sich. In Wahrheit wurde St. Ursula um 1300 vom Deutschen Ritterorden zu Eger erbaut und verfiel nach Einführung der Reformation, aber selbst die Ruine ist noch ein lohnenswertes Ausflugsziel. In Maria Kulm aber baute Christoph Dientzenhofer aus der Gnadenkapelle eine großartig Wallfahrtskirche des Egerer Kreuzherren Ordens, die 1702 eingeweiht wurde. Sie ist das einzige noch existierende Gotteshaus in diesem „Dreierbund“.
Einen Kilometer westlich von St. Anna steht auf dem bewaldeten Grünberggipfel (638 m ü. NN) nahe beim modernen Fernsehturm, unmittelbar neben einem überhohen, unzugänglichen Stahlgittermast der 1909 erbaute Bismarckturm. Das granitene Bauwerk weist eine bemerkenswerte Architektur auf und wurde anstelle eines älteren Holzturmes errichtet. Über dem Eingang ist das Egerer Stadtwappen in Stein gehauen und sogar ein kupfernes Relief mit dem Kopf des „eisernen Kanzlers“ ist noch vorhanden. Obwohl der Turm ziemlich verwahrlost ist, lohnt sich der Weg auf eigene Gefahr die 72 Stufen (eine fehlt) hinauf zur Plattform. Neben den Ausblicken nach Norden und Osten, die man schon bei St. Anna genießen konnte, ergänzt sich hier das Bild zur Rundsicht. Im Westen erkennt man die Stadt Hohenberg mit ihrer Burg und Teile des Fichtelgebirges. Im Süden schweift der Blick von den Türmen der Kappel über den Tillenberg bis zum Kaiserwald. Ab 1915 gab es unweit des Grünbergturmes auch ein Gast- und ein Unterkunftshaus. Es war schon außergewöhnlich, gerade jenem Mann in Böhmen ein Denkmal zu setzen, der um der preußischen Vorherrschaft willen die habsburgischen Lande von Deutschland getrennt hat.
Doch auch auf dem Hainberg bei Asch gibt es seit 1903 einen Bismarckturm, an dem das Porträt des Reichskanzlers aber schon längst entfernt wurde. Er ist auch vom Grünberg aus zu sehen.
Zu Fuß oder per Rad folgt man der grünen Markierung 1,5 km westwärts nach Oberkunreuth, wo kein Haus stehengeblieben ist. Mit dem Pkw muß man zurück über St. Anna und dann nach rechts der Straße folgen, die erst um 1911 befestigt worden war. So kommt man an ein verlassenes Kasernengelände der tschechischen Grenztruppen. Hier, in der Quellmulde des Mühlbaches, der durch Pechtnersreuth nach Hundsbach zur Wondreb hinunterfließt, lag einst Oberkunreuth, das ebenso wie Unterkunreuth zur „Erstausstattung“ des Klosters Waldsassen gehörte. In einem burgähnlichen Rittergut, Schloß genannt, war bis zur Vertreibung die Egerer „Waldschule“, ein Schullandheim, untergebracht. Die Straße hinab, die als Wanderweg nun gelb markiert ist, kommt man durch Unterkunreuth und weiter über die Eisenbahn Eger-Schirnding hinweg zur Europastraße E 48 am Ortseingang von Mühlbach. Die markante St.-Jakobs-Kirche wurde 1700 anstelle der alten Barbarakirche errichtet, die schon im ältesten Pfarreienverzeichnis des Bistums Regensburg von 1326 genannt wurde. Zwei Kilometer weiter westlich erreicht man die Bundesstraße 303 und kann auf bayerischer Seite zu seinem Ausgangspunkt zurückkehren.
Werner Pöllmann ca. 1995
Inzwischen ist der Bismarckturm seit 2008 wundervoll restauriert und alle Stufen gefahrlos zu besteigen! 2012